Integrative Lerntherapie in der Praxis – Wie läuft es ab?

Integrative Lerntherapie in der Praxis

1.Was ist Integrative Lerntherapie (ILT)?

Die Integrative Lerntherapie (ILT) ist ein interdisziplinär angesiedeltes Berufsfeld, das psychotherapeutische und fachdidaktische Komponenten zu lerntherapeutischen Interventionen zusammenfasst. Es sind wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Pädagogik, Psychologie, Medizin, Linguistik, Mathematik sowie den Fachdidaktiken Deutsch und Mathematik integriert. Die ILT ermöglicht den Aufbau der Schlüsselkompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen. Außerdem wird die seelische Gesundheit gestärkt und die angemessene Teilhabe am gesellschaftlichen sichergestellt. Die ILT ist eine adäquate Therapieform zur Behandlung von Lernstörungen wie der Lese-Rechtschreibstörung (Legasthenie) und der Rechenstörung (Dyskalkulie). Da Lesen, Schreiben und Rechnen in der Schule zu den Basiskompetenzen gehören, haben Kinder häufig Schwierigkeiten in vielen Fächern. Zudem treten Lernstörungen häufig in Kombination mit anderen Entwicklungsauffälligkeiten auf. Etwa die Hälfte der Betroffenen haben eine Lese-Rechtschreibstörung und Rechenstörung gleichzeitig. Sprachentwicklungsstörungen, fein- und grobmotorische Auffälligkeiten können ebenfalls in Verbindung zu Lernstörungen stehen.

In der ILT sind vier Hauptbereiche von Lernstörungen voneinander abzugrenzen:

  • Lese- und Rechtschreibstörungen
  • Rechenstörungen
  • Allgemeine Lern- und Leistungsstörungen
  • Aufmerksamkeitsstörungen wie AD(H)S, die zu Lernstörungen führen können

2. Diagnostik: Ist-Stand des Kindes ermitteln

Die lerntherapeutische Diagnostik ist nicht nur eine störungsorientierte, sondern vor allem eine ressourcenorientierte Förderdiagnostik, die den Fokus auch auf die individuellen Stärken und Ressourcen des Kindes legt. Dabei wird mit Hilfe von Beobachtungen und Befragungen ein Ist-Stand ermittelt. Dies sind beispielsweise Angaben zum Lern- und Arbeitsverhalten, zur psychosozialen Situation sowie zu bisher durchgeführten Maßnahmen der Beteiligten. Mithilfe von spezieller Diagnostik wird der Stand im Schriftsprach- bzw. Mathematikerwerbsprozess erfasst. Im Elterngespräch werden dann die Eindrücke und Förderziele der Lerntherapie besprochen.
Ziel der integrativen Lerntherapie ist unter anderem die Stabilisierung der sozialen und psychischen Situation des Kindes, dass Kompetenzen im Bereich Schriftsprache und/oder Mathematik entwickelt werden und somit eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben möglich ist.

3. Ablauf einer (Online)Therapiestunde

Die Therapiestunden sind je nach Kind sehr individuell gestaltet. Dabei kann es sein, dass vorgeplante Therapiestunden anders ablaufen, da ich immer versuche auf die persönliche Tagesform des Kindes einzugehen. Wenn das Kind müde ist oder ihnen etwas auf dem Herzen liegt, sind manche Inhalte schwieriger anzugehen als andere.

Der grobe Ablauf einer (Online)Therapiestunde kann wie folgt aussehen:

  • Begrüßung und Austausch über die vergangene Woche/den aktuellen Tag + wie es dem Kind geht
  • Reflexion vergangener Therapiestunden
  • Je nach Arbeitstempo und/oder Tagesform des Kindes ist die Therapiestunde in ca. 3 Einheiten gegliedert
  • Aufgabenstellungen orientieren sich an der Null-Fehler-Grenze > Fokus auf die Stärken des Kindes
  • Dem Kind werden “Werkzeuge” in die Hand gegeben, um Aufgaben (zukünftig) eigenständig angehen zu können
  • Ende der Therapiestunde: Entspannung/Abschlussspiel, Tokensystem (Stempelkarte stempeln)

4. Dauer der Lerntherapie

Die Dauer der Lerntherapie ist sehr individuell und kann von vornherein nicht festgelegt werden. Sie hängt von vielen Faktoren ab, wie z. B.:

  • individueller Stand der Fertigkeiten
  • Selbstkonzept des Kindes, Umgang mit Fehlern oder Misserfolgen
  • Lernumgebung des Kindes sowohl in der Schule als auch daheim (positiv gestaltet?)

Es ist zunächst wichtig zu betonen, dass eine Lerntherapie langfristig angesetzt ist. Bei einigen Kindern ist bereits innerhalb weniger Monate eine Veränderung zu spüren, andere benötigen mehr Zeit. Es geht nicht darum, so schnell wie möglich viele Inhalte nacheinander abzuarbeiten, sondern darum, nachhaltige und positive Veränderungen im Lernverhalten und in der Einstellung zum Lernen zu erreichen. Die Dauer der Therapie ist dabei nicht unbedingt ein Indikator für ihren Erfolg. Vielmehr geht es um die Qualität des Prozesses und die Fähigkeit des Lernenden, neue Strategien und Techniken anzuwenden: Hilfe zur Selbsthilfe! Ein Schlüsselfaktor für den Erfolg ist die Geduld und das Verständnis, dass echtes Lernen Zeit braucht. Auch wenn eine pauschale Antwort auf die Dauer der Lerntherapie nicht möglich ist: meiner Erfahrung nach dauert sie zwischen 1 – 3 Jahren, mit einer Therapiestunde pro Woche für 45 – 60 Minuten.

5. Gibt es Hausaufgaben in der Lerntherapie?

In der Lerntherapie kann es je nach Lerntherapeut Hausaufgaben geben, dies ist wieder individuell nach Kind zu entscheiden. Sie unterscheiden sich in ihrer Art und ihrem Zweck von traditionellen Schulhausaufgaben. Die Übungen sind speziell auf den Lernstand des Kindes bzw. den Lerninhalt der Lerntherapie ausgelegt. Sie sollen vor allem dazu dienen, erlernte Techniken und Strategien zu festigen. Dabei ist es wichtig, dass diese Aufgaben kein zusätzliches Stresspotential darstellen. Der Umfang und die Häufigkeit der Hausaufgaben sollte daher in Abstimmung mit dem Kind und den Eltern festgelegt werden. Außerdem ist es je nach Kind, Klasse und Schulform sinnvoll auch mit den Lehrkräften bestimmte Inhalte abzusprechen, damit alle Beteiligten an einem Strang ziehen und das Kind nicht überfordern/verwirren.

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